Die Tätigkeit als Schiedsrichter war für mich sehr persönlichkeitsbildend. Neben den Aspekten, die auch allen Nicht-Fußballern sofort klar sind (Durchsetzungsfähigkeit, Stressresistenz, Entscheidungsfähigkeit und Konfliktfähigkeit), habe ich noch einige weitere Erkenntnisse in dieser gut 16-jährigen Ausbildungszeit lernen dürfen. Dazu gehört zum Beispiel das von mir so stark fokussierte Prinzip „Klarheit & Konsequenz“. Alles, was wir tun, erfordert einen Preis. Die Klarheit, die wir (hoffentlich) besitzen, erfordert eine Konsequenz und wir müssen genau dazu bereit sein. Aber auch der Umgang mit Niederlagen (Resilienz) gehört in das Paket der Lessions learned. Für Schiedsrichter*innen besteht die Niederlage in einer schlechten Spielleitung (ggf. inkl. entsprechender Bewertung von den Supervisorn, die sog. Beobachter*innen) oder auch in einer längerfristigen Verletzung. Manchmal ist es auch der öffentliche „Verriss“ in den Medien. Und auch das Kommunikationsvermögen wird als Schiedsrichter*in gut trainiert. In der heutigen Zeit ist es kaum möglich, als Schiedsrichter*in in höheren Spielklassen eingesetzt zu werden, ohne eine wirklich gute und wirksame Kommunikation mit den Aktiven und dem Bankpersonal zu haben. Dabei gelten natürlich andere Gesetze als im Berufsalltag, aber in vielerlei Hinsicht sind die Erfahrungen und die Grundregeln auch wieder übertragbar.
Selbst aktiv bin ich nicht mehr (habe 2003 nach mehreren hartnäckigen Verletzungen aufgehört), bin aber als Verbandslehrwart (zuständig für die Fortbildung der westfälischen Schiedsrichter*innen) der Sache noch sehr eng verbunden.
Auf der Bühne, in Seminaren und Coachings verwende ich gerne das eine oder andere Erlebnis aus der Welt des Fußballs, um den Führungskräften, mit denen ich arbeite, einen Mehrwert außerhalb ihrer eigenen „vier Wände“ zu ermöglichen. Der Blick auf bekannte Themen aus einer ungewohnten Perspektive, hilft in sehr vielen Fällen dabei, sich den richtigen Durchblick (= Klarheit) zu verschaffen. Anfangs hat mich überrascht, dass mir das gerade von vielen Nicht-Fußballern zurückgemeldet wurde. Der Ausflug in eine andere Welt, die aber zumindest im Kern nicht so wahnsinnig kompliziert ist, hilft offenbar in vielen Fällen den Fokus wieder scharfzustellen.
